Das es auf der Erde in der geologischen Vergangenheit zur Bildung natürlicher Atomreaktoren gekommen ist, hatte ich hier im Blog bereits breitgetreten. Natürlich kann so etwas auch auf anderen terrestrischen Planeten passiert sein.
Eines der großen Rätsel, die uns der Mars aufgibt, sind die hohen Konzentrationen an Uran, Thorium und radioaktivem Kalium auf der Marsoberfläche verglichen mit den Mars Meteoriten. Außerdem finden sich auch in der Atmosphäre des Planeten größere Mengen radiogener Isotope der Elemente Xenon und Argon verglichen mit der Erde oder den kohligen Chondriten. Die bei weitem höchsten Konzentrationen der radiogenen Isotope finden sich in einer Mare Acidalium genannten Region bei 45° N und 330° E auf dem Mars. Auf der Erde haben sich vor rund 2 Milliarden Jahren im Gebiet des heutigen Gabun bei den Uranminen von Oklo mehrere natürliche Kernreaktoren gebildet. Dieselben Zutaten wie hier auf der Erde fanden sich mit Sicherheit auch auf dem Mars. Es wäre also nicht sehr weit hergeholt, dass sich in der geologischen Vergangenheit auch auf unserem Nachbarplaneten natürliche Kernreaktoren gebildet haben könnten.
Karte vom Mare Acidalium. Die kleinen farbigen Linien repräsentieren Aufnahmen vom Mars Global Surveyor. U.S. Geological survey für die NASA.
Zumindest einer davon muss sich im Mare Acidalium befunden haben und deutlich größer gewesen sein als seine irdischen Pendants. Jetzt hat John Brandenburg auf der 42nd Lunar and Planetary Science Conference in Houston, TX im März eine Hypothese vorgestellt, nach der die natürlichen Reaktoren auf dem Mars nicht nur größer, sondern möglicherweise auch erheblich gefährlicher waren. Denn auf dem Mars scheint der natürliche Reaktor nicht nur friedlich vor sich hin gearbeitet zu haben. Aber der Reihe nach. Nach Brandenburg hat der Reaktor im Mare Acidalium vor rund 1 bis 2 Milliarden Jahren begonnen, nachdem sich dort erst ein größerer Uranerzkörper gebildet hat und Grundwasser als Moderator in diesen Erzkörper eingedrungen ist. Damals lag der Prozentsatz von 235U noch bei rund 3 %. Über Millionen von Jahren soll die Reaktion dann ähnlich der in Oklo abgelaufen sein.
Aber ab irgendeinem Zeitpunkt muss sich etwas verändert haben. Der Reaktor begann, 233U und 239Pu schneller zu erbrüten, als er selber verbrauchte. Irgendwann wurde der Reaktor so heiß, dass er das Wasser verdampfte. Ohne Wasser als Moderator konnte die Kettenreaktion von 233U und 239Pu extrem beschleunigt werden, denn der Erzkörper war groß genug, dass die Neutronen auf spaltbares Material trafen. Da der Erzkörper aber vergleichsweise tief lag, vermutlich einige Kilometer, konnte die explosive Freisetzung so lange gedämpft werden, bis die Kettenreaktion weit fortgeschritten war. Der ursprüngliche Erzkörper muss mindestens ein Volumen von 0,14 Kubikkilometern besessen haben, je nach Erzgehalt. Die abschließende Explosion hatte planetare Ausmaße und verteilte den Erzkörper als Staub über weite Gebiete des Planeten, ähnlich wie bei einem größeren Impaktereignis. Der Krater war wohl einige 100 Kilometer im Durchmesser bei einigen Kilometern Tiefe. Die hohe Anreicherung von Uran und Thorium in den obersten Schichten des Planeten ist das Resultat aus diesem Ereignis. Das Ergebnis der Explosion war außerdem eine rund 400 Kilometer durchmessende, flache Depression nördlich von Acidalia Colles. Wann genau das Ereignis stattgefunden hat, ist nicht abschließend geklärt. Die planetare Verteilung von Thorium und radioaktivem Kalium wird nicht durch Isotope mit kürzerer Halbwertszeit wie etwa denen von Eisen oder Silizium nachgezeichnet. Das bedeutet, dass das Ereignis vor mindestens einigen 100 Millionen Jahren passierte. Wenn die schwache Bestrahlung des Mars-Meteoriten EETA79001 auf das Ereignis zurückzuführen ist (und nicht auf beispielsweise kosmische Strahlung bei seiner Reise vom Mars zur Erde), dann lag die Explosion mindestens 180 Millionen Jahre zurück.
Persönlich halte ich die These für faszinierend. Aber können natürliche Reaktoren wirklich zu nuklearen Explosionen führen? Ich weiß es nicht, aber möglicherweise köcheln natürliche Reaktoren nicht in jedem Fall so friedlich vor sich hin, wie sie es im Falle von Oklo auf der Erde taten. Es muss ja nicht immer eine nukleare Explosion sein. Ich könnte mir auch eine Dampfexplosion vorstellen, bei der das Grundwasser schlagartig als dampf freigesetzt wird, möglicherweise nach einer vorhergehenden Druckentlastung. Dazu würde eventuell auch schon ein kleinerer Einschlag in der Region des natürlichen Reaktors ausreichen. Und welche Konsequenzen hätte ein derartiges Ereignis für unsere Suche nach Leben auf dem Mars? Für höheres Leben wäre eine derartige, riesige atomare Explosion, und sei es nur eine schmutzige, dampfgetriebene, auf jeden Fall von enormer Gefahr.
Der Beitrag Natürliche Reaktoren auf dem Mars. Katastrophale Explosion? erschien zuerst auf Mente et Malleo.